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Durch die Nordwand im Juli 2002.
Talort: | Courmayeur oder Chamonix |
Stützpunkt: | Rifugio Torino, 3323m |
Zeiten: | Hütte - Einstieg: 1 Std. Nordwand: 2-4 Std. Rückweg zur Hütte: 1-2 Std. |
Schwierigkeit: | D |
Führer: | AV-Führer Montblanc-Gruppe, Rother Verlag |
Karte: | Institut Geographique National, 3531 ET, St. Gervais oder Institut Geographique National, 3630 OT, Chamonix |
Sonntag Abend Ende Juli 2002: Wir sind wieder in Chamonix und es regnet wie so oft in Strömen.
Wenigstens haben wir fünf Wochen Urlaub vor uns und dies ist erst der erste Tag.
Montag Morgen: Die Sonne scheint, das Wetter ist super. Rauf auf die Berge! Wir wollen zuerst zum
Refuge Albert I., aber da ist alles voll. Also geht's zur Turiner Hütte. Wir, das sind
Dietmar, Dietmar, Lydia und Jörn. Wir fahren durch den Tunnel auf die andere Seite und mit der
Bahn hoch. Die Stufen von der Seilbahnstation zur Hütte fallen schwer. Wir merken, daß wir
erst gestern aus dem Flachland angereist sind. Nachdem wir das Lager bezogen haben, geht es gleich raus
auf den Gletscher. Ein bißchen rumstapfen und Spaß haben in der Sonne. Für Jörn
sind's die ersten Schritte im Gebirge. Eigentlich ist er Sportkletterer und war auch schon mal an
Wasserfällen unterwegs. Erfahrungsmäßig am anderen Ende der Skala ist der zweite
Dietmar. Er will sich für den Freney-Pfeiler akklimatisieren (den er später auch geklettert
hat). Außerdem ist noch Lydia dabei, eine gute und ausdauernde Kletterin, mit der ich schon
einige Touren gemacht habe.
Dienstag Morgen, kurz vor Sonnenaufgang: die Nordwand der Tour Ronde lacht uns an. Ich freue mich schon
auf die Tour. Dietmar und Jörn gehen vor, Lydia und ich folgen. Die ersten drei Seillängen
geht es leicht durch 50° steiles Gelände aufwärts. Die Eisschrauben hätten wir zu Hause
lassen können. Die Wand ist gut verfirnt, kein Blankeis zu sehen. Wir machen in den Felsen am Rand
Stand.
Im Flaschenhals wird's für zwei Seillängen steiler (bis 60°), aber durch die Firnauflage
ist das kein Problem. Die Tour macht Spaß. Jetzt nur noch kurz über das zweite Eisfeld
zum Gipfel. Das wird aber immer länger, je länger wir klettern. Und das es flacher wird,
davon merken wir auch nichts. Kann vielleicht an der fehlenden Akklimatisation liegen ...
Irgendwann erreichen wir den Absatz unter dem Gipfel. Bei Jörn stellt sich keine Begeisterung ein.
Vielleicht hätten wir erst mal eine andere Tour machen sollen. Ich habe ein schlechtes Gewissen,
weil's eigentlich meine Idee war. Den Gipfel schenken wir uns, die Wand war das Ziel.
Der Abstieg ist noch mal unangenehm. Wir entscheiden uns dummerweise für die Rinne, die am
Beginn des Schneehangs vor dem Gipfel nach links runterzieht. In der Frühe ist das sicher eine
gute Wahl, aber jetzt ist alles weich und der Schutt ist in Bewegung. Es ist nervig. Hätten wir
mal den Grat gewählt. Aber jetzt ist es zu spät. Irgendwann sind wir unten und liegen auf dem
Gletscher in der Sonne. Eine schöne Tour, aber vielleicht nicht gleich als erste Tour der
Saison.
Zur Route: Die Tour-Ronde-Nordwand ist zwar eine Einsteigertour, darf aber nicht unterschätzt werden.
Man tut sich einen großen Gefallen, früh einzusteigen. Einerseits bekommt man weniger vom Stein- und
Eisschlag (auch vorausgehender Seilschaften) ab, andererseits war bei uns die Wand um acht Uhr voll in der Sonne
und es wurde so heiß, daß man Kuchen backen konnte.
Vom Rifugio Torino folgt man der meist ausgeprägten Spur unter die Wand. Der Einstieg ist vom Zustand des
Bergschrunds abhängig. Wir sind weit rechts eingestiegen und dann zum Flaschenhals nach links gequert. Wenn man
in der Nähe der rechten Begrenzungsfelsen aufsteigt, findet man häufig gute Sicherungsmöglichkeiten
(einige Haken stecken, zusätzlich Bandschlingen, Friends). Bei uns war die Wand gut verfirnt, so daß sich
Eisschrauben nur selten drehen ließen. Dann lassen sich aber immer gute Standplätze in den Felsen finden.
Den Flaschenhals fanden wir nicht so wild, wie wir gedacht hatten. Das lag wahrscheinlich hauptsächlich an der
idealen Firnschicht. Dafür kam uns das zweite Eisfeld unendlich lang vor. Es dürften so fünf bis sechs
Seillängen gewesen sein.
Für den Abstieg gibt es zwei Möglichkeiten: Wenn man den Gipfelaufbau umrundet hat, kann man recht früh
nach links ein Couloir absteigen. Dies sollte man aber nur machen, solange der Schnee noch gut durchgefroren ist. Ab
spätem Vormittag ist es darum besser, dem Grat bis zum Col d'Entreves zu folgen. Hat man erst mal den Gletscher
erreicht, ist der Rückweg problemlos.