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Wenn man die ersten Abseilversuche zusammen mit erfahreneren Freunden hinter sich hat, kommt irgendwann der
Moment, an dem man auf einem Berg steht und keinen dabei hat, der einem die Abseilstrecke einrichtet. Aber
mit ein bißchen Umsicht ist auch diese Aufgabe zu lösen.
Prinzipiell geht man dabei in folgenden Schritten vor:
Als erstes richtet man einen Fixpunkt her. Dieser muß denselben Anforderungen genügen, die auch an
einen Standplatz gestellt werden. Zwar sind die Belastungen beim Abseilen wesentlich geringer als beim Sturz,
aber ein Versagen führt in der Regel zum Absturz der gesamten Gruppe. Als einzige Ausnahme braucht eine
Abseilstelle nicht in alle Richtungen (insbesondere nicht nach oben) belastbar sein.
Was kommt nun als Fixpunkt in Frage? Ideal sind geklebte Bohrhaken (Bühlerhaken) die als vollwertiger
Fixpunkt dienen können. Bäume, ausreichend dimensionierte Felsköpfel und Sanduhren sind auch
erste Wahl. Im Eis kommen noch die Abalakow-Eissanduhr und die Selbstausdrehende Eisschraube hinzu.
Hat man alles das nicht zur Verfügung, wird meist eine Art Standplatz aus mehreren zweitklassigen
Fixpunkten (geschlagene Haken, etc.) gebaut. Bei vielgenutzten Abseilstrecken findet man dann einen
mehr oder weniger übersichtlichen Verhau von Schnüren und Bändern. Da es schwer ist, die
Haltbarkeit der oft ausgeblichenen Schnüre zu beurteilen wird gerne noch ein weiteres Band hinzugeknotet.
Manchmal sollte man einfach ein Taschenmesser nehmen, das alte Material entfernen und eine neue Bandschlinge
zurücklassen.
Tip: Ein paar alte Bandschlingen für diese Zwecke mitführen.
Hat man den Fixpunkt hergerichtet, fädelt man das Seil und wirft es aus.
Muß man über mehrere Längen abseilen und ist das Gelände unterhalb unbekannt und
unübersichtlich, so daß man nicht genau weiß wo man eigentlich hin abseilt, empfiehlt
es sich, den Ersten abzulassen. Das Suchen des nächsten Abseilstandes ist dann einfacher und man
kann im Zweifelsfall auch ein paar Meter wieder gesichert hochklettern.
Ablassen hat außerdem den Vorteil, daß ein Seil schon richtig liegt und sich nicht mehr beim
Auswerfen verfangen kann. Ist man mit mindestens drei Personen unterwegs, so kann man sich durch
Ablassen der ersten beiden Kletterer das Seilauswerfen ganz sparen und gewinnt viel Zeit.
Standplatz zum Abseilen
Die wichtigsten Punkte beim Einrichten eines Abseilstandes sind: Absolute Zuverlässigkeit: Klebehaken, Baum, Sanduhr, ... Ansonsten mehrere Fixpunkte mit Band- oder Reepschnur verbinden. Der Abseilstand wird für zwei verschiedene Aufgaben benötigt: Abseilen und Selbstsicherung der Wartenden. Im Zweifelsfall sollte man sich noch mal die Kapitel über den Bau von Standplätzen verinnerlichen. Wenig Material zurücklassen, sonst wird's auf Dauer teuer. Das darf aber nicht auf Kosten der Sicherheit gehen. Man sollte immer "Opferschlingen" dabei haben, also Bandmaterial, das zurückgelassen werden kann. Das Seil zum Abseilen kann direkt durch die Bandschlinge gefädelt werden. Ein Karabiner ist nicht notwendig. ACHTUNG: An einem solchen Seil darf natürlich NICHT toprope geklettert werden! |
Um das Seilabziehen zu erleichtern kann man ein Schraubglied oder einen Stahlring in das
Bandmaterial mit einknoten (Ankerstich). Diese Hilfsmittel sind natürlich NICHT zum Sichern
während des Kletterns geeignet, leisten aber beim Abseilen wertvolle Dienste. Außerdem sind
sie so billig, daß man sie leicht zurücklassen kann. Auch alte, ausrangierte Karabiner kann man
verwenden. Trifft man an einer Abseilstelle auf solches Material, so sollte man es hängen lassen und nicht mitnehmen. Es soll den Nächsten schließlich auch nützen. |
Fädeln und Aufnehmen des Seils
Das Seil wird bis zur Seilmitte durch den Abseilring (Abseilhaken, etc.) gefädelt. Dies muß immer als erstes geschehen und darf nicht vergessen werden. Letzteres klingt vielleicht ein bißchen albern, aber es hat schon Fälle gegeben, bei denen das Seil ausgeworfen wurde, ohne vorher durch den Haken gefädelt zu sein. Folge davon: das Seil lag am Wandfuß und die Kletterer waren immer noch oben. |
Zwei Seile können mit einem Sackstich verknotet werden. So hat man die gesamte Seillänge zum Abseilen
zur Verfügung. Die losen Ende des Sackstichs sollten ziemlich lang (ca. 30-40cm) sein und der Knoten muß
an allen vier Enden ordentlich festgezogen werden. Das Fädeln des Seils ist hierbei besonders leicht, wenn man ein Seilende erst durch den Abseilhaken steckt und dann mit dem anderen Seil verknotet. Man muß sich nun merken, welches Seil nachher abgezogen wird. |
Hat man einen Ringhaken zum Abseilen und werden zwei Seile verknotet, so sollte der Knoten in dem Seilstrang,
der zum Fels hin durch den Ring läuft liegen. Zieht man an diesem Seil ab, so wird der Ring leicht von Fels
weggedrückt, was das Abziehen erleichtert. Hat man den Knoten auf der felsabgewandten Seite des Rings, so wird der Ring beim Abziehen zum Fels gedrückt und klemmt den anderen Seilstrang ein, was das Abziehen erschwert. |
Wenn das Seil nicht bis zum Boden reicht, müssen die Seilenden verknotet werden. Dadurch wird verhindert, daß
man über das Seilende hinaus abseilt und abstürzt. Man kann einen gemeinsamen Knoten in beide Seilenden machen. Das Auswerfen des Seils ist dann leichter und die Enden sind garantiert gleich lang. Dafür können sich die beim Abseilen entstehenden Krangel nicht ausdrehen und man kann unter Umständen nicht bis zum Seilende abseilen. Knüpft man je einen Knoten in die einzelnen Enden, so hat man das Krangelproblem beseitigt. Dafür kann sich das Seil beim Auswerfen (besonders bei Wind) leichter verhängen. Welcher Methode man den Vorzug gibt, ist letztendlich eine Glaubensfrage. Wichtig ist, überhaupt einen Knoten zu machen. |
Zum Aufnehmen des Seils lässt man die verknoteten Enden ein gutes Stück länger als den Rest des
Seilbündels. Dadurch verheddert sich das Seil beim Auswerfen nicht so leicht. Ansonsten nimmt man wie gewohnt etwa gleichlange Schlingen vom Ende her auf, lässt aber noch ein bißchen Seil zum Abseilring übrig, um noch Bewegungsfreiheit zum Auswerfen zu haben. |
Auswerfen des Seils
Hat man die Vorbereitungen abgeschlossen, so kann man das Seil auswerfen. Vorher sollte man sich vergewissern, daß
niemand durch das Seil oder den evtl. ausgelösten Steinschlag gefährdet wird. Durch den Ruf "Vorsicht, Seil!"
warnt man die Untenstehenden. Im Ausland sollte man sich an die jeweilige Sprache anpassen um sicher zu gehen, daß
der Ruf verstanden wird (und daß man selbst versteht, was da gerufen wird). Die paar fremdsprachlichen
Seilkommandos sind schnell zu lernen. Nun wirft man das Seil mit Schwung vom Fels weg in die Richtung, in der es nachher liegen soll. Man sollte dabei auf Felsvorsprünge, Bäume, etc. achten, in denen das Seil hängen bleiben kann. Aber trotz aller Tips und Überlegungen wird das Seil in vielen Fällen noch nicht passend hängen. Es ist dann die Aufgabe des ersten Abseilenden, das Ganze zu ordnen. Tip: Beim Abseilen sollte man immer oberhalb des Seilrests bleiben. Kommt man an einem verhedderten Seilhaufen an, so sollte man nicht weiter abseilen und hoffen, daß man das Ganze von weiter unten schon passend herunterziehen kann. Klappt das nämlich nicht, so hat man ein Problem. Natürlich sollte man beim Auswerfen gesichert sein. Man kann leicht das Gleichgewicht verlieren und stürzen. |
Abziehen des Seils
Das Seilabziehen ist immer ein kritischer Vorgang. Bleibt das Seil beim Abziehen irgendwo hängen, so hat man ein
ernstes Problem. Der letzte Abseilende sollte darauf achten, daß das Seil ordentlich liegt und nicht durch irgendwelche Spalten läuft, in denen es sich verklemmen könnte. Vor dem Abziehen müssen die Knoten aus den Seilenden entfernt werden! Außerdem sollte ein Seilende fixiert werden. Nun zieht man an einem Seilende gleichmäßig das Seil ab. Hat man zwei Seile verknotet, so muß man an dem Strang ziehen, in dem sich der Knoten befindet. Wenn man mehrere Seillängen hintereinander abseilt, so kann eine zweite Person schon während des Abziehens das Seil durch den nächsten Abseilring fädeln. Vorsicht wenn das freie Seilende fast hochgezogen ist. An einem bestimmten Punkt reicht das Gewicht des anderen Seilstrangs, um den Rest abzuziehen. Dann fällt das gesamte Restseil, manchmal noch zusammen mit ein paar Steinen nach unten. |